Fischzucht ohne Futter  (in Verbindung mit Landwirtschaft)

 

Fisch ist gesund und liefert Proteine, doch der Appetit der Menschen kann kaum allein mit Fangfisch aus den Meeren gestillt werden. In Fischzuchten wiederum leben so viele Fische auf engem Raum, dass durch Futter und Fäkalien die Teiche und Becken eutrophieren.

 

China besitzt eine lange Tradition der nachhaltigen Fischzucht. Professor George Chan hat die Produktionsweise in den ländlichen Gebieten seiner Heimat analysiert und dabei erfahren, wie die Fisch- und Schweinezucht geschickt gekoppelt werden kann. Der Schweinemist wird durch Algenbecken geleitet, dort angesiedelte Benthos und Plankton werden an die Fische verfüttert; das auf den Dämmen der Becken angepflanzte Gras dient ebenfalls als Futterpflanze.

 

So entsteht ein Nährstoffkreislauf, der alle fünf Reiche der Natur einbezieht. Ohne zusätzliches Fischfutter wird eine Produktivität erzielt, die zwar niedriger ausfällt, wenn ausschließlich die Erträge durch Fischzucht gezählt werden, doch da ebenfalls Schweinefleisch und Gemüse produziert werden, ist der Betrieb wettbewerbsfähig und in sich tragfähig. Ein neues Zuchtmodell durch Nutzung von Synergien.

 

Der Markt

Der Weltmarkt für Zuchtfische und essbare Wasserpflanzen hatte 2008 einen Geldwert von 106 Milliarden US-Dollar. Der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen zufolge ist über eine Zeitspanne von 38 Jahren (1970-2008) das Wachstum der Fischzuchten bei 6,6 Prozent stabil geblieben. Seit 2008 wird mehr Geld mit in Becken und Tanks gezüchteten Fischen verdient als mit Fangfisch aus Flüssen und Meeren, der 94 Milliarden Dollar erzielt, hierbei eingeschlossen sind bereits 10 Milliarden Dollar für Fisch aus Binnengewässern. Durch Fischfang und –zucht sind insgesamt 142 Millionen Tonnen Protein produziert worden. Der Wert von Zuchtfisch ist geringfügig höher als Fangfisch, der 46 Prozent allen Verbrauchs an Fisch ausmacht. Es bleibt noch viel Raum für Verbesserungen der Produktivität. Der jährliche Output pro Person liegt in Norwegen bei einem weltweiten Spitzenwert von 172 Tonnen. China liegen mit 6 Tonnen und Indien mit 2 Tonnen weit zurück.

 

Die Aquakultur ist der am schnellsten wachsende Produktionssektor für tierische Nahrungsmittel und einer der wenigen, der schneller als die Weltbevölkerung wächst. Es gibt 220 Fisch- und Schalentierarten, die gezüchtet werden. China ist der weltgrößte Produzent mit 62 Prozent der weltweiten Fischzucht und 51 Prozent bezogen auf den Wert; dort werden vor allem Karpfen gezüchtet. Lateinamerikas Wachstumsdurchschnitt ist mit 21,1 Prozent über fast vier Jahrzehnte der höchste, wobei dort hauptsächlich Buntbarsche gezüchtet werden, die eigentlich aus Afrika stammen. Afrika selbst spielt keine Rolle auf dem Markt, obwohl dort etwa 25 Prozent der gesamten weltweiten Artenvielfalt an Süßwasserfischen heimisch sind. Früher führende Länder wie Frankreich, Spanien und Japan verzeichnen seit einem Jahrzehnt sinkende Produktionen.

 

Der Pro-Kopf-Verbrauch an Zuchtfischen ist von 1,5 Pfund 1970 auf 37 Pfund 2008 hochgeschnellt. 15,7 Prozent des tierischen Proteins und 6,1 Prozent allen Proteins, das die Weltbevölkerung konsumiert, sind Fischproteine. Die Beschäftigung auf dem Sektor ist merklich gestiegen, seit 1980 um 3,6 Prozent pro Jahr. Etwa 45 Millionen Menschen sind direkt in der Fischzucht beschäftigt. Durch jeden dieser direkt Beschäftigten entstehen noch einmal drei Arbeitsplätze in sekundären Aktivitäten, was eine Summe von 180 Millionen Arbeitsplätzen weltweit und ein Wachstum um 167 Prozent gegenüber 1980 ergibt. Daher sind sowohl Beschäftigung als auch Erträge schneller gewachsen als die Weltbevölkerung.

 

Die Innovation

Das Wachstum der Fischzuchten wird zunehmend behindert durch den Mangel an Süßwasser. Andererseits sind viele Arten mit hohem Verkaufswert Fleischfresser, die Fischmehl als Futter benötigen. Während Sojamehl 350-400 Dollar kostet, beträgt der Preis von Fischmehl durchweg über 1000 Dollar. Es ist fraglich, ob es Sinn macht, Fische zu töten, um andere Fische zu füttern, anstatt sie gleich selbst zu essen, wodurch die Welternährung besser gesichert werden könnte. In Zuchtbecken zusammengepferchte Fische benötigen viel Futter, produzieren Fäkalien und verursachen Verschmutzungen, die das Leben im Ökosystem erschweren und dabei noch das Risiko von Krankheiten erhöhen, die ganze Industrien zum Erliegen bringen, wie im Fall des White Spot Syndrome Virus, das die Krabbenzuchten dezimiert hat. Hinzu kommen Antibiotika, die das menschliche Immunsystem schwächen und daher durch Auflagen der Regierung geregelt werden müssen. Organische Abfälle aus Fischzuchten sind Dünger für Algen und verbrauchen Sauerstoff, wodurch das Gebiet so unbewohnbar wird wie durch Düngerabfluss aus der Landwirtschaft. Die alte Strategie, die Verschmutzung durch Verdünnung zu beseitigen, funktioniert im Falle der intensiven Fischzucht nicht.

 

Professor George Chan, der als Ingenieur für Sanitäranlagen an der Umweltschutzagentur der USA Karriere gemacht hatte, ging bereits mit 59 Jahren in Rente und kehrte zurück in sein Heimatland China, um die ländlichen Existenzgrundlagen zu untersuchen, während er das alte Haus seiner Familie wieder aufbaute. Der Professor erfuhr, wie die Chinesen Fische züchteten, ohne sie zu füttern. Zwar erzielten sie nur eine niedrige Produktivität im Vergleich zu europäischen und amerikanischen Standards, doch die Effizienz der Produktion von Proteinen durch Fisch, Schweine, Algen und Pflanzen ist hoch und übertrifft sogar noch die Produktivität der norwegischen Lachsfabriken. Experten, die sich auf das Kerngeschäft konzentrieren, würden allein den Ertrag der Fisch-Monokultur messen, doch der Professor erkannte, dass die 7,5 Tonnen Fisch pro Arbeiter noch ergänzt werden durch Schweine, Enten, Reis, Gurken, Algen, Biogas und viel mehr.

 

Professor Chan lernte, wie jede chinesische Schweine- oder Geflügelfarm sorgfältig den Mist in einem Faulraum sammelt. Dort entsteht Biogas. Die Gülle fließt durch Algenbecken, wo die Biomasse mineralisiert wird. So wiederum werden Algen in flachen Algenbecken als erstklassiger Futterzusatz produziert, wobei auch das Wasser hoch alkalisch wird und somit eine ideale Nährstoffgrundlage für Benthos, Phyto- und Zooplankton bildet. Die Dämme der Becken von drei Metern sind mit Gras bedeckt, das täglich für grasfressende Tiere der Farm geerntet wird. In den Becken sind mindestens sieben Arten Fisch, eine Art für jede Trophieebene. Sie enthalten hohe Mengen Nährstoffe, doch da die Futterzufuhr am Grund die Eutrophierung auf ein Minimum begrenzt und durch Aquaponics auf schwimmenden Gründen die Nährstoffe gebunden werden, die normalerweise die Umwelt verschmutzen würden, tragen alle Nährstoffe zu einer Steigerung der gesamten Produktivität des Systems bei.

 

Der erste Umsatz

Prof. Chan verließ China und machte sich daran, die integrierte Fischzucht zu entwickeln. Sein erstes Projekt auf den Fidschi-Inseln, eine Forschungsanlage in Kooperation mit der University of the South Pacific in Montfort Boys Town wurde bald zum Beispiel für die gesamte Pazifikregion. Das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) organisierte eine Reihe von Treffen zum Erfahrungsaustausch. Die Ergebnisse überraschten alle Kritiker, da die Fischproduktion ohne Zusatz von gekauftem Futter und mit zwei Vollzeitkräften bis zu 15 Tonnen pro Hektar erreicht. Zusätzlich konnten mit dem integrierten System pro Jahr 240 Schweine (2 Einheiten zu je 60 Schweinen zweimal im Jahr) gezüchtet werden.

 

Der Vorteil dieser Weiterverwertung von Nährstoffen und Energie ist, dass das Abwasser sowohl der Fisch- als auch der Schweinezucht erfolgreich als Mehrwert eingesetzt wurde und somit mehr Erträge lieferte. Diese Art der Weiterverwertung von Nährstoffen, Materie und Energie zur Generierung von Mehrwert bei gleichzeitiger Kostenreduktion mit lokal vorhandenen Ressourcen ist typisch für die Blue Economy.

 

Die Chance

Die praktische Erfahrung von China bis Fidschi konnte auf allen Kontinenten umgesetzt werden. In Brasilien jedoch stieß sie auf das größte Interesse, da die Schweinezüchter aus dem Staat Paraná auf breiter Ebene das System übernommen und angepasst haben. Das Projekt wurde durch das Zentrum für Technologie TECPAR aufgegriffen, das innerhalb weniger Jahre fast 100 Produktionseinheiten zur integrierten Fisch- und Schweinezucht aufgebaut hat. Wir fanden über 250 Projekte in über 80 Ländern vor, in denen die Arbeit von George Chan initiiert oder durch ihn inspiriert und dann von einheimischen Unternehmen weiterentwickelt wurde.

 

All diese Projekte wurden umgesetzt, ohne überhaupt an die positiven Auswirkungen auf den Klimawandel zu denken. Wenn wir alle wirtschaftlichen, sozialen und umwelttechnischen Vorteile mit einberechnen, dann übertrifft das integrierte Zuchtsystem im Wettbewerb das Geschäftsmodell des Einzelprodukts wie der Monokultur von Fisch oder Schweinezucht, die dem Trend der Massenproduktion gefolgt sind. Nun behauptet sich ein neues Zuchtmodell dank der Nutzung von Verbundvorteilen durch Integration der Produktivität der fünf Reiche der Natur, die Herstellung von „Mehr“ aus „Weniger“ bei gleichzeitiger Schaffung von Arbeitsplätzen. So funktioniert die nachhaltige Landwirtschaft mit Fischzucht.